Heinrich von Kleist, Das Käthchen von Heilbronn - Inhaltsangabe (1994)

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Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe

Großes historisches Ritterschauspiel in fünf Akten

Personen: Friedrich Wetter, Graf vom Strahl - Kunigunde von Thurneck - Theobald Friedeborn, Waffenschmied aus Heilbronn - Käthchen, seine Tochter - Der Rheingraf vom Stein - u. a.

Uraufführung am 17. März 1810 im Theater an der Wien. Weitere wichtige Aufführungen: 1811 Bamberg (Bühnenbild: E. T. A. Hoffmann - vgl. Heilbronner Kleist-Schriften 7); Berlin 1824 - vgl. Neue Kostüme auf den beiden Königlichen Theatern zu Berlin unter der Generalintendantur des Herrn Gr. von Brühl. Faksimile-Druck 1996; 1876 Meininger Hoftheater - vgl. Das Käthchen von Heilbronn auf dem Meininger Hoftheater. Ausstellungskatalog 1997; 1905 und 1924 Berlin, Max Reinhardt.

Der Waffenschmied Theobald Friedeborn hat den Grafen Friedrich Wetter vom Strahl angeklagt, seine fünfzehnjährige Tochter Käthchen mittels teuflischer Magie an sich gefesselt zu haben. Das Femegericht aber spricht den Grafen frei: "Es ist hier nichts zu richten." Käthchen war freiwillig von ihrem Vater weggegangen und dem Grafen in blinder Ergebenheit auf Schritt und Tritt gefolgt. - Der Rheingraf vom Stein sagt Graf Wetter vom Strahl im Namen seiner Verlobten Kunigunde von Thurneck die Fehde an. Durch Zufall findet Wetter die von einem früheren Verlobten entführte Kunigunde gefesselt in einer Köhlerhütte. Er befreit sie und beschließt, von ihrer Dankbarkeit und ihrem Verzicht auf den umstrittenen Besitz geblendet, Kunigunde zu heiraten, zumal ihre Herkunft auf einen Traum des Grafen verweist: In der Silvesternacht hatte ihm ein Engel eine Kaisertochter zur Frau verheißen. - Käthchen hat erfahren, daß der Rheingraf die Burg Thurneck angreifen will. Sie kann den abweisenden und schroffen Grafen aber nicht rechtzeitig warnen. Die Burg geht in Flammen auf. Kunigunde schickt Käthchen mit teuflischer Berechnung ins Feuer, doch ein "Cherub" führt diese auf wunderbare Weise aus dem zusammenstürzenden Haus. Der Graf durchschaut, daß Kunigunde wegen eines "Nichts" ein Menschenleben aufs Spiel setzt, und lernt allmählich - der Rheingraf wird inzwischen in die Flucht geschlagen - Käthchens wahres Wesen kennen. Er spricht die unter einem Holunderstrauch Schlafende an und erfährt so, was Käthchen selbst nicht bewußt ist: Sie habe in der Silvesternacht geträumt, daß ihr ein Engel den Grafen als Bräutigam zugeführt hätte. In Käthchens Traum findet der Graf die Lösung des eigenen Rätsels ("Was mir ein Traum schien, nackte Wahrheit ists"). Wetter verkündet, daß Käthchen die Tochter des Kaisers ist und seine Frau werden soll. Den dagegen protestierenden Vater Käthchens besiegt er im Zweikampf allein durch seinen Blick. - "Die Welt wankt aus ihren Fugen!", ruft der Kaiser aus, als er nach diesem als Gottesurteil empfundenen Zweikampf Beweise dafür findet, daß Käthchen seine illegitime Tochter ist. Käthchen entgeht einem Giftanschlag Kunigundes, die als böse "Giftmischerin" entlarvt wird. Das immer noch naiv-unwissende, bei Wetters Worten "Käthchen! Meine Braut! Willst du mich?" in Ohnmacht fallende Mädchen wird schließlich vom Grafen zur Hochzeit geführt. Das in einem romantisierten Mittelalter spielende traumverlorene Zaubermärchen um eine besessene, unbedingte und grenzenlose Liebe stellt das jeder Gefährdung überlegene innerste Gefühl der reinen und idealen Hauptfigur in den Mittelpunkt. Der zunächst egoistisch verbohrte Graf erkennt Schritt für Schritt, daß die unschuldige Gefühlssicherheit Käthchens und ihr Festhalten am Traum schließlich wirklicher sind als die Wirklichkeit.

Käthchen ist "das schon mit märchenhafte Zügen ausgestattete Symbol einer vom Sündenfall unberührten Daseinsart" (Walter Müller-Seidel), der sich der Graf durch Verwirrung, Versehen und plötzliche Selbsterkenntnis hindurch schließlich öffnet - eine Möglichkeit zum Erlangen der Wahrheit, die Kleist auch in seinem Aufsatz Über das Marionettentheater (1810) diskutiert. Die Hauptfigur des romantischen Ritterschauspiels beschreibt Kleist selbst als "die Kehrseite der Penthesilea, ihr andrer Pol, ein Wesen, das ebenso mächtig ist durch gänzliche Hingebung als jene durch Handeln".)


 

Aus: Knaurs Großer Schauspielführer. Mehr als 1000 Einzeldarstellungen zu Werken und ihren Autoren. Mit 330 Abbildungen. München: Droemer Knaur 1994. ISBN 3-426-26707-1. © by Droemer Knaur Verlag. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags