Kätchen von Heilbronn.
Frisch Liedlein.
Ein Ritter vor der Schmiede hielt
Zu Heilbronn in der Stadt:
»He Schmied! he Schmied! flink meinen Schild,
Mein Rösselein beschlag,
Mach blank den Speer
Und meine Wehr,
Daß ich mag fürder traben.
Der Ritter in die Stub' eintrat,
Nicht saß er lang allein;
Des Schmied's schön Töchterlein sich naht
Sie brachte kühlen Wein –
Was wirst Du roth,
Was wirst Du bleich,
Was wirst Du Ros' und Lilien gleich?
Das Mägdlein krank zusammenbrach,
Der Wein er floß zur Erden,
Dem Ritter sie zu Füßen lag,
Als wolle schier sie sterben.
Zu Roß stieg er
Das Herz gar schwer,
Wußt' nicht, wie ihm geschehen.
Das Mägdlein an der Zinne stand,
Hub kläglich an zu weinen:
»Gedenk an mich Du edler Knab,
Laß mich nicht lang alleine,
Kehr wieder bald
Dein lieb Gestalt
Lös't mich aus schweren Träumen!«
Der Ritter über die Brücke ritt,
Sein Rößlein warf er umme:
»Ich denke Dein, Schmiedstöchterlein,
Ich darf nicht wiederkommen,«
Viel Scherz, viel Schmerz
Brach ihr das Herz –
Sie stürzte von der Zinnen.*
* "Das angebliche Haus des K ä t c h e n s von Heilbronn, unweit des im halbdorischen Styl gebauten S c h l a c h t h a u s e s , bewohnt jetzt noch ein Schmied von eben so viel Geschicklichkeit als Humor, der schon seiner kräftigen Gestalt nach, aus jener guten Zeit übrig geblieben seyn muß." (Kaufmann die Neckarfahrt S. 4 [Kauffmann, E. F.: Die Neckarfahrt von Heilbronn bis Heidelberg. Geschildert, mit Beziehung auf Geschichte und Sagen. Heilbronn: Drechsler 1843, S. 4]) Uebrigens kam Kätchen nicht so tragisch um's Leben, wie es nach dem vorstehenden Liede scheint, durch den Sturz hatte sie nur die Lenden gebrochen. Doch hören wir die ganze Geschichte, wie sie Börne in seinen dramaturgischen Blättern S. 124 ffg. nach dem Schauspiele »das Kätchen von Heilbronn« von Heinrich v. Kleist erzählt:
Graf W e t t e r v o n S t r a h l , reich, im Lande angesehen, edelstolz, voll des Muthes und der Kraft seines jugendlichen Alters und jener alten Zeit, ein an Seele wie an Leib geharnischter Ritter – und K ä t c h e n , Tochtes eines Bürgers von Heilbronn, ein süßes, wunderschönes Mädchen, werden sie, die sich nie gesehen, von einer geheimnißvollen Macht einander im Traume angetraut. Dem todtkrank darniederliegenden Grafen erscheint im Wahnsinne des Fiebers ein glänzender Cherub, führt ihn weit weg in die Kammer eines schönes Kindes, und zeigt es ihm als die für ihn bestimmte Braut, sagend, es sey die Tochter des Kaisers. Dieselbe Nacht sieht Kätchen im gesunden Traume (das gesunde Weib e r h e b t sich zum kranken Manne, wie das wache zum schlafenden) einen schimmernden Ritter eintreten, der sie als seine Braut begrüßt. So sich angelobt, bringt später ein Zufall den Grafen in Kätchens Vaterhaus. Diese, ihn erblickend, erkennt alsogleich die Traumgestalt. Da stürzt plötzlich ihres Körpers und ihrer Seele Bau und eigene Haltung zusammen, sie fliegt ihrem Pole zu und bleibt ohne Willen und Bewegung an ihm hangen. (Als nun der Ritter fortreitet, stürzt sie sich dreißig Fuß hoch auf das Pflaster der Straße nieder. Kaum hat sie sich von dem schweren Falle erholt, so schnürt sie ihr Bündel und folgt dem Grafen von Strahl). Vergebens wird sie vom Ritter weggerissen, von diesem selbst mit Füßen zurückgestoßen, wie ein Thier, wie eine Sache behandelt, sie ist immer wieder da, und folget ihm auf allen seinen Zügen. Wohl lernt er das Bürgermädchen lieben, aber werther bleibt ihm sein Ritteradel. Endlich bis in den Grund des Herzens gerührt, forscht er Kätchens Inneres aus, da sie einst im magnetischen Schlummer sich befand, wo die Seele, zwischen der Nacht der Erde und dem Tage des Himmels in der dämmernden Mitte schwebend, mit einem B l i c k e beide umfaßt, und da ward ihm kund, was er im Geräusche eines thatenvollen Lebens nicht früher erhorchen konnten, daß s i e die Verheißene sey, die ihm im Traume gezeigt worden. Später tritt auch der Kaiser auf, gibt sich als Käthchens natürlichen Vater zu erkennen und diese, nachdem er sie zur Fürstin erhoben, dem Grafen zum Weibe.
Baader, Friedrich: Sagen des Neckarthals, der Bergstraße und des Odenwaldes. Aus dem Munde des Volkes und der Dichter gesammelt. Mannheim: Bassermann 1843, S. 270-273