Moritz Rapp:
Aus: Wolkenzug
Comödie
FÜHRERIN [der Wolken]
Heute zu grüßen gilt's einen dichter,
Der die freundlichen deutshen lande erquickt.
Zeigt ihm die muntern, frishen gesichter,
Die er so warm sich zum herzen drückt.
Seid ihm zu willen,
Shlank-hüftige dirnen,
Wenn von den firnen,
Sein herz-weh zu stillen,
Wenn aus der freien goldenen luft
Er sich die lachende freundin ruft.
Weist ihm die buntesten, lichtesten shürzen,
Badet die sohlen im lieblichsten thau,
Sorgt ihm die liebende ruhe zu würzen,
Seid ihm des gatten will-fahrende frau.
Denn wisst, nicht gering
Ist das irdishe glück
Für ein luft-gewobenes wolken-ding,
Zu trinken des jünglings sonnigen blick.
Er küsst euch zum festen dauernden bilde,
Er reißt euch an trunkener männer-brust,
Auf den shwingen der siegenden lust
In der unsterblichkeit lichte gefilde....
[Als ein »leichter contour« erscheint Natalie, dann als ein stärkerer stolzer Schatten – Juliette. Kleist zieht eine Flöte hervor und flötet.]
KLEIST O wie sie shweben in freundlicher nähe,
O wie sie mit lächelndem munde sich drehn,
Wenn ich die shwanken gestalten ersehe,
Möcht' ich ein liebchen mir eigen erspähn.
bläst wieder.
CHOR Shiebt sie vor doch die rothe,
Die sich so ängstlich das röckchen geshürzt;
Seht, wie sie wandelt im shlummernden tode;
Weckt sie nicht, dass sie nicht nieder-stürzt.
Ach diese armen baar-füßigen zehchen
Reißen sich wund an dem grausamen stein;
O wenn die lippchen, die rosigen sprächen,
Wie möcht' es hold wie ein engelchen sein.
KLEIST Himmel, sie ist es,
Mädchen der mädchen!
Liebchen, du bist es,
Kennst du mich, Käthchen?
KÄTHCHEN Ei du shalk, und warum denn nicht?
Glänzest ja ritterlich, recht wie in glorie.
KLEIST Ich, kind?
KÄTHCHEN Sieh mir nicht so sharf in's gesicht.
Es sticht.
KLEIST Ei das ist eine ammen-historie,
Die dir die alte Sibylle geschwätzt.
KÄTHCHEN Von wem bekamst du die purpur-sherpe?
KLEIST Das ist ein geshenk und ein ahnen-erbe
Von meinem weib.
KÄTHCHEN Deinem weib? Ja zulezt –
KLEIST Zulezt, mein Käthchen?
KÄTHCHEN Da war sie blau.
KLEIST Das war 'ne andre.
L THCHEN 'Ne andre frau?
KLEIST Wie du närrish bist.
KÄTHCHEN Sag mir doch, Friedrich, du –
KLEIST Was denn, mein mädchen?
KÄTHCHEN Wie nennst du mich?
Du hast wohl 'ne braut auch?
KLEIST Und 'ne shöne dazu,
Doch mein herziges mädchen, so nannt' ich dich,
Drum weil ich dich liebe.
KÄTHCHEN Ei, das ist hübsh.
Wie ist deine frau denn?
KLEIST Ein bischen shnippsh,
Aber shön.
KÄTHCHEN zuckt die achseln
So so.
KLEIST Ei, sahst du sie je?
KÄTHCHEN Ich, lieber?
KLEIST Du, Käthchen; was lachst du denn?
KÄTHCHEN Dass du mich nicht küsst.
KLEIST Ei komm.
KÄTHCHEN Ei geh.
Wir heuern doch nicht vor Bartholomä.
KLEIST Da wird's warm, du shnecke. Ich dächte –
KÄTHCHEN Bis wenn?
KLEIST Was sagst du?
KÄTHCHEN – Die wiese wär' aufgeputzt.
KLEIST Du die königin drauf.
KÄTHCHEN Nur der bräutigam trutzt.
KLEIST O du wonniges shäfchen!
KÄTHCHEN Du bist mir ein hecht;
Trägst mir die heil'ge passion im kopf
Und die sünd' im herzen.
KLEIST Ich krieg' dich bei'm shopf.
Du hechse.
KÄTHCHEN Lass.
KLEIST Wie?
KÄTHCHEN Du verstehst's noch nicht recht.
Einstweilen send' ich dein weib dir her.
vershwindet
KLEIST Mein Käthchen, du bringst mich um. Nimmermehr.
kniet, die hände erst nach ihr, dann vor's gesicht haltend.
CHOR Laßt ihm fließen die thränen,
Er shwemmt sich rash mit der salzigen flut
Aus der brust das bitter-süße sehnen,
Aus dem aug' die verzehrende glut,
Und der junge männer-muth
Sprosst hoch aus dem kränklichen wähnen.
[Es erscheinen im weiteren Verlauf Thusnelda und Toni.]
1836
Moritz Rapp (1803-1883)
Erstdruck in: Atellanen. Eine kleine Sammlung dramatischer Dichtungen. Hrsg. von Jovialis [d. i. Moritz Rapp]. Stuttgart u. Tübingen 1836. S. 1-141.
Wiederabdruck: Sembdner (2. Aufl. 1985), S. 10-13.