Max Rosenfeld
Am Grabe Kleists

Über deinem Grabmal schwarze Schatten rollten,
Blitze blendeten und Donner furchbar grollten.
Stürme peitschten Wellen rasend an das Land. –
Doch ich blieb, die Augen auf dein Grab gewandt.

Stumm blieb ich an deinem Grab in Wetters Grausen.
Sah Dämonen deinen grünen Efeu zausen,
Sah, wie Blitze einen hohen Baum gefällt,
Sah dich selbst, du Großer, und sah deinen Welt …

All dein Leben war wie dieses Wetters Mächte,
Dir blieb nicht erspart das Leid der schwersten Nächte,
Das der Parze Faden vor der Zeit zerreißt.

Doch als Sturm und Wetter sich gemach verzogen,
Kam die Sonne, und der schönste Regenbogen
Schien wie deines Namens Ruhm: Heinrich von Kleist.

1912


Max Rosenfeld
Aus: Minde-Pouet (1927), S. 63.