Max Bewer
Heinrich von Kleist

Rollt sie auf, die alte Preußenfahnen
Und verdunkelt sie mit schwarzem Flor!
Tragt sie, trauernde Germanen,
An ein Heldengrab im Trauerchor …
Wehen sie herab
Wie edler Rappen Mähnen,
Die nach ihrem toten Herrn sich sehnen,
Ihn vergeblich weckend aus der Ruh,
Unter Feuerblitzen
Aus den Völkerschlacht-Geschützen
Donnert ihm drei Ehrensalven zu! …

Senkt den Degen, Offiziere,
Senkt, Studenten, die Rappiere,
Und das Volk entblöße fromm das Haupt,
Wo im Blut liegt Einer,
Der voll Glut wie Keiner
An den Stern des Vaterlands geglaubt!

Der, wo er des Abends bliebe,
Morgens voller Sorgen stand,
Ohne Heim für seine Liebe,
Seine Leyer ohne Vaterland –
Der von Zorn und Unmut dampfte,
Voller Wut die Erde stampfte,
Zitternd voller Schlachtenlust,
Bis er mit zerbrochner Klinge,
Daß kein Feind ihn niederzwinge,
Warf sich schluchzend
An die ewge Vaterbrust!

Donnert ihm drei Ehrensalven zu! …

Sieh! Mit seiner offnen Wunde
Hebt er sich aus seinem Grab,
Zweifelslaute auf dem Munde,
Wandern seine Blicke auf und ab –
Seiner Sehnsucht süßes Schaumbild
Sieht er froh erstaunten Blicks
Doch erfüllt: das goldne Traumbild
Eines deutschen Kaiserglücks! …
Und von seinem Kämpfermunde,
Daß sein Volk geeinigt sei,
Löst sich jubelnd durch die Runde
Hell ein deutscher Freudenschrei! …

Was er ahnte ist vollendet –
Wenn die Parze wieder wendet
Über Deutschland Schmach und Nacht,
Schwört dem Feind mit ernstem Munde,
Deutsche auf dem Erdenrunde,
Wieder eine Hermannsschlacht!

1911


Max Bewer
Aus: Minde-Pouet (1927), S. 31-32.