Eugen Kühnemann
Prolog zu Kleists »Hermannsschlacht«

Gesprochen bei der Festaufführung der Breslauer Studenten, Juni 1913

Aus ernsten Tagen klingt dies Lied herüber,
Zu dem euch deutsche Jugend eingeladen.
Wir aber nahn ihm auf des Festes Pfaden,
Und helle Lust wird uns sein Klang, sein trüber.

O große Zeit, da kaum noch glaublich scheint
Der treuen Herzen bang beklemmte Klage!
Herauf noch einmal, du verklungne Sage,
Das deutsche Auge lacht, das einst geweint.

Wir sehn das Reich in hehrer Macht gegründet,
Und um den Erdball schickt es seine Fahnen,
Von immer neuen Friedenssiegen kündet
Im Herzen uns ein Hoffen und ein Ahnen. –

Doch aus dem Glück, mit Ehrfurcht tief im Sinn,
So wollen wir den edlen Sänger grüßen.
Der Jugend Lorbeerkranz zu seine Füßen –
Wir legen ihn in frommer Andacht hin.

Ihm brach das Herz, das starke, glutenreiche,
Um unsers Vaterlandes Schmach und Qual,
Und aus den Reihen der Lebend'gen stahl
Gebrochen er sich in des Todes Reiche.

Doch Schmach und Qual – sie hat als neue Kraft
Des Dichters Herz, des Dichters Sang durchloht,
Und brennend flammt in wilder Leidenschaft
In seinem Lied die fürchterliche Not. –

Hier ist kein Traumland, keine Schattenschar,
Aus Himmelshöhn in zartem Klang gebannt, –
Hier ächzt ein Volk, hier beben in Gefahr
Und in Verzweiflung Helden um ihr Land.

Gestalten lebenstrotzend, voller Mark,
Aufopfernd, kühn, verschlagen, mutbegeistert,
Und alle lenkt und alle Nöte meistert
Hermann der Retter, schlicht und klug und stark. –

Er war der unsre, der dies Lied gegeben,
Wir nennen ihn mit Stolz Kommilitone,
Wir weihn ihm unsern Dank und unser Leben
Als unsrer hohen Schule größtem Sohne.

Denn wie sich jene Zeit im Geist erneute
Und Geistestaten neue Menschen schufen,
So schwören wir dem Vaterlande heute
Den gleichen Dienst an seines Altars Stufen.

Und jauchzend klingt ein Lied von tausend Zungen,
– Wir singen's alle mit aus Herzensgründen, –
Sind dieses Abends Stimmen längst verklungen,
Des deutschen Geistes Weltreich zu verkünden.


Eugen Kühnemann (1868-1946)
In: Minde-Pouet, S. 64-65.