August Kunert
Am Grabe Heinrich v. Kleists
(Am Wannsee)

Am Waldessaum ein schmucklos Grab
Und Stille rings und Einsamkeit,
Nur manchmal, klagend, schallt herab
Ein Vogellied zur Sommerzeit.

Und unweit dort der blaue See,
Er rauscht ein leises Schlummerlied,
Das halb wie Lust und halb wie Weh,
Auch über diesen Hügel zieht.

Du ruheloses Dichterherz –
Das erst hier unten Ruhe fand,
Dein Leben war nur Kampf und Schmerz
Und undankbar das Vaterland.

Da wardst du müde von der Qual
Und wolltest frühe schlafen geh’n:
Du kamst hierhier in dieses Tal,
Wo Frieden wohnt, wo Wipfel weh’n.

Die große Muttererde nahm
Dich müden Kämpfer liebend auf;
Der Geist, der schwer beladen kam,
Schwang sich befreit zum Licht hinauf.

Doch lebst du noch unsterblich fort
In deinen Werken, schön und groß.
Dein Grab ist ein geweihter Ort –
Schlaf wohl in seinem kühlen Schoß!


August Kunert (1859 -)
Aus: Die Mark und Berlin im Spiegel der Dichtung. Hrsg. im Auftr. d. Pestalozzi-Vereins für d. Provinz Brandenburg u. Berlin von Gustaf Schaefer. 3. Aufl. Berlin: Oehmigke [1927]. S. 182.
Ursprünglich in: Der Märkische Wanderer. Jg. ??