Wo steht das Zitat?

Eine Information des Kleist-Archivs Sembdner in Heilbronn.


Leidgeprüfte Bibliotheksleute im Auskunftsdienst kennen das: "Können Sie mir sagen, wo ich das Zitat finde?" Auch uns ereilen Fragen, die wir nicht immer aus dem Ärmel schütteln können. Wenn wir dann aber mal etwas gefunden haben, wollen wir's auch festhalten. Für die Ewigkeit, zumindest jedoch für den nächsten, der danach fragt.


Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) vom 13. 9. 2014, Seite 1:
»Die zahllosen Krankheiten wundern dich? Zähle die Ärzte!« (Heinrich von Kleist (1777-1811), deutscher Dramatiker, Novellist und Erzähler
Abgesehen davon, daß mir der Unterschied von Novellist und Erzähler nicht ganz klar ist (Kleist hat »Erzählungen« geschrieben), muß man davon ausgehen, daß in der WAZ-Redaktion kein Redakteur sitzt, der die deutsche oder gar die Weltliteratur auf Zitierbares gegenliest, daß also solche klugen Sentenzen von einer Agentur kommen. Nur: von welcher? Das würde mich brennend interessieren. Denn beim besten Willen finde ich diesen knackigen Satz bei Kleist nirgendwo. Er mäandert aber seit Jahrzehnten durch die Feuilletons genauso wie jener, daß ein frei denkender Mensch da nicht stehen bleibt, wo ihn der Zufall hinstößt. (GE, 29. 9. 2014)


Nachricht von *** (***@web.de) IP-Adresse ***.***.***.*** Zeit: 14.12.2007, 13:02 Uhr
Inhalt der Nachricht: Der beliebte Trauspruch von Kleist: "Vertrauen und Achtung, das sind die beiden unzertrennlichen Grundpfeiler der Liebe - ohne die sie nicht bestehen kann. Denn ohne Achtung hat die Liebe keinen Wert, und ohne Vertrauen keine Freude" ist in welcher Quelle zu finden?
Gibt es hierzu noch weitere Ausführungen? Vielen Dank für Ihre Unterstützung. MfG ***
Antwort, gesendet: 14.12.07 13:08:42
Sehr geehrte Frau ***,
endlich mal eine schwierige Frage, die mit einem Mausklick recherchiert werden konnte. Die Stelle ist aus einem Brief, zu finden auf unserer Seite http://www.kleist.org/briefe/008.htm.
Jetzt hätte ich aber doch mal eine Frage: "beliebter Trauspruch"? Nie gehört! Wenn der Verlobungsflüchter für das Zusammenkommen so zentral ist, dann sind wir gern für Aufklärung dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
G. Emig
Antwort auf die Antwort, gesendet: 20.12.2007 22:33
Sehr geehrter Herr Emig,
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort. Besagtes Zitat wurde meinem Mann und mir von unserer lieben Standesbeamtin, als wir auf Kap Arkona heirateten, mit auf dem Weg gegeben. Bis jetzt halte ich es für ein ganz gutes Rezept, selbst von einem Verlobungsflüchter. Im übrigen habe ich den Ausspruch auf zahlreichen einschlägigen Internetseiten gefunden, allerdings stets ohne Quellenangabe.
Viele Grüße und ein schönes Weihnachtsfest L. ***
Hier die Quellenangabe im Klartext: Heinrich von Kleist, Brief an seine Braut Wilhelmine von Zenge, Frankfurt (Oder), Anfang 1800. Zu finden in jeder ordentlichen Kleist-Ausgabe oder auf besagter Internetseite.


Keine Frage, sondern ein "textkritischer Beitrag betreffs der Einladungskarte zum Frankfurter Kolloquium 'Kleists Briefwechsel'", der uns per E-Mail erreicht hat:
"...dort [auf o.g. Einladungskarte] steht geschrieben:
Ein freier, denkender Mensch bleibt nicht da stehen, wo der Zufall ihn hinstößt; oder wenn er bleibt, so bleibt er aus Gründen, aus Wahl des Besseren.
HvK schreibt (vgl. BKA IV/1,58):
Ein freier denkender Mensch bleibt da nicht stehen [...] Wahl des Bessern.
1 Satz = 3 Fehler; gar nich iebel / sprach die Zwiebel."
(Eingang 7.10.2005). - Nicht Besserwisserei oder gar Ranküne veranlaßt uns, dieses "Eingesandt" zu vermelden, vielmehr die Tatsache, daß o.g. Zitat auf allen möglichen Zitat-Sammlungs-Seiten im Internet immer wieder ohne Quellenangabe falsch zitiert wird. - Danke dem Einsender, Warnung an alle Internetgläubigen... GE


Frage:
Bitte die Quelle für folgendes Zitat [das in dieser Form auf zahllosen Internetseiten herumgeistert - GE]: "Ich betrachte die Musik als die Wurzel aller übrigen Künste."
Antwort:
Bis zum Beweis des Gegenteils behaupten wir, daß es dieses Zitat in dieser Form bei Kleist nicht gibt. Es gibt einen Brief an Marie von Kleist vom Sommer 1811 (in der Sembdner-Ausgabe die Nr. 212), in dem es heißt:
"In diesem Fall würde ich die Kunst vielleicht auf ein Jahr oder länger ganz ruhen lassen, und mich, außer einigen Wissenschaften, in denen ich noch etwas nachzuholen habe, mit nichts als der Musik beschäftigen. Denn ich betrachte diese Kunst als die Wurzel, oder vielmehr, um mich schulgerecht auszudrücken, als die algebraische Formel aller übrigen, [...]"


Q:
Die Geschichte bei Kleist, die von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Kindes im Mittelalter handelt. Kurz skizziert: Die Kinder spielen Metzger und Schwein, das "Schwein" wird vom "Metzger" geschlachtet. Ein weiser Richter schlägt schließlich vor, dem Kind einen Gulden und einen Apfel vorzuhalten. Wenn es den Apfel ergreift, sei es frei, da nicht verantwortlich, sofern es den Gulden ergreife, jedoch hingerichtet. Das Kind ergreift lachend den Apfel."
A:
Berliner Abendblätter, 13.11.1810, 38. Blatt: "Von einem Kinde, das kindlicher Weise ein anderes Kind umbringt" (Abdruck in: BKA II/7, 195f.) - Danke, Herr Dr. Staengle, für die schnelle "Amtshilfe" - GE


Q:
Die armen lechzenden Herzen! Schönes und Großes möchten sie tun, aber niemand bedarf ihrer, alles geschieht jetzt ohne ihr Zutun.
Guten Tag, Herr Sembdner, darf ich Sie darum bitten, diesen Text dem richtigen Werk Kleists zuzuordnen?
A:
Kein Werk, ein Brief! Nämlich Kleist an Adolfine von Werdeck, Nov. 1801 (Helmut Sembdner, gestorben 1997, mag's mit Wohlgefallen "von oben" betrachten...)


Q:
"Wir suchen den Urheber folgenden Zitats: 'Je mehr ich es jetzt einsehe wie er war – je mehr sehe ich ein, was er gelitten hat.' Wir haben bereits in der Deutschen Internetbibliothek und der Rabe-Liste recherchiert. Leider ohne Ergebnis. Allerdings haben wir den Hinweis erhalten, daß es sich vermutlich um ein Zitat von Kleist handelt."
A:
Wenn man das Zitat ganz unvoreingenommen liest und von der Annahme ausgeht, es könnte etwas mit Kleists Leben oder Werk zu tun haben, könnte man vermuten,
a) daß es sich auf den Dichter selbst bezieht,
b) aus der Zeit * nach * seinem Tod, also nach 1811, stammt,
c) daß vielleicht einer seiner "Nachrufenden", Biographen (beginnend mit Ludwig Tieck), Verehrer oder speziell Verehrerinnen etwas dergleichen von sich gegeben hat. – Zu den "Nachrufenden" müßte man Helmut Sembdners "Heinrich von Kleists Nachruhm" in die Hand nehmen.
Ich warne allerdings: Das Zitat könnte sich auf jeden zu Lebzeiten Verkannten beziehen. Mein Rat daher: Da das Zitat eh nicht besonders aussagekräftig ist, die kostbare Zeit lieber auf was anderes verwenden...
Mit freundlichen Grüßen aus Heilbronn
Günther Emig, Kleist-Archiv Sembdner


Q:
"Es liegen Wissenschaft und Irrtum geknetet innig wie ein Teig zusammen, mit jedem Schnitte gebt Ihr mir von beidem."
A:
So heißt's genau:
"In Eurem Kopf liegt Wissenschaft und Irrtum
Geknetet, innig, wie ein Teig, zusammen;
Mit jedem Schnitte gebt Ihr mir von beidem.
Die Jungfer zeugt noch nicht, sie deklariert jetzt;
Ob, und für wen, sie zeugen will und kann,
Wird erst aus der Erklärung sich ergeben."
Wer sagt's, wo steht's? Der Gerichtsrat Walter im "Zerbrochnen Krug"


Q:
"Sie haben mir ein Gewicht ins Herz gelegt." oder so ähnlich...
A:
Gefunden haben wir nur dies:
"Es ist genug, mein Kurfürst! Ich bin sicher,
mein Wort fiel, ein Gewicht, in deine Brust!"
(Prinz Friedrich von Homburg, 5. Akt, 5. Auftritt, V. 1721-1722)