Aus der Frühzeit des Internets - für die Nachwelt erhalten
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: M* F* [mailto:m*.f*
Gesendet am: Donnerstag, 8. Februar 2001 16:18
An:
Betreff: Lieblingsessen
Vielleicht stoßen selbst Sie bei dieser Anfrage an Ihre Grenzen, aber ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte: Können Sie mir Angaben machen über H.v.Kleists Lieblingsessen oder zumindest Vermutungen darüber anstellen? Ich wäre Ihnen für eine möglichst baldige Antwort an m*.f*@nwn.de sehr dankbar!
MfG
M* F*
Unsere Antwort:
Sehr geehrte Frau F*,
Heinrich hatte zwar ein Faible für schwäbische Schauplätze (siehe die Familie Schroffenstein und das Käthchen von Heilbronn), ob aber auch für die schwäbische Küche (Linsen mit Spätzle beispielsweise), entzieht sich unserer Kenntnis. Freilich fanden wir in unserem reichen Schatz einen Aufsatz mit dem Titel "Nichts geht über Käsekuchen". Wir zitieren daraus: "Ohne Quarkkuchen, wie er richtig heißt, wäre in der Geschichte wohl so manches Fest und so manche politische Tagung weniger friedlich verlaufen. Denn wenn die feine Süßspeise aufgetragen wurde, die in Deutschland seit vielen Generationen zu den beliebtesten Kuchenarten gehört, vergaßen die Männer ihre hitzigen Diskussionen. Zumindest behauptete das der Dichter Heinrich von Kleist. Welcher Art der Käsekuchen war, hat der Poet leider nicht hinterlassen." Die zitierfähige Quellenangabe: Bäckerblume. Vereinigt mit Bäckerkurier. Kundenzeitschrift des Bäckerhandwerks. Hilden: B&L Mediengesellschaft. Nr. 24, 16. 6. 2000, S. 3.
Wenn Heinrich den Käsekuchen so in den Mund nimmt, wird von uns einfach einmal ein Faible für denselben unterstellt. Wir werden gleich noch weiterrecherchieren unter dem Aspekt Spinat und Currywurst. Sollten wir fündig werden, melden wir uns. Dürfen wir im Gegenzug von Ihnen erfahren, welches gaumenmäßige Ansinnen Sie zu Ihrer Frage führt?
Mit allen guten Wünschen aus Heilbronn
Ihr Günther Emig
Kleist-Archiv Sembdner der Stadt Heilbronn
Dazu Prof. Dr. Gerhard Schulz, Australien, dem wir unsere Antwort in Mehrfertigung übersandten:
Meine Frau machte mich allerdings dazu noch auf etwas aufmerksam. "Wurst gibt es heut, und aufgewärmten Kohl./ Und die just brauch ich, um mich herzustellen", erklärt Sosias-Merkur [im Amphitryon] dem richtigen Sosias, dem das Wasser im Munde zusammenläuft, denn als guter Preuße wußte Kleist, daß Kohl wirklich erst Geschmack bekommt, wenn man ihn aufwärmt. Manchmal versteht man das Aufwärmen falsch als Arme-Leute-Essen. Sollte also Kleist womöglich statt der Spätzle selbst einen Appetit darauf gehabt haben?
Und das meint Andreas Beck, Tübingen:
Noch einige Bemerkungen zu Kleist kulinarisch: Im 'Zerbrochnen Krug' (der Titel klingt in diesem Zusammnhang fast wie ein Wirtshausname) geht's recht oft ums Essen: Wurst aus Braunschweig mit Danziger [Goldwasser?] wird angeboten (5. Auftritt), ebenso "Franz? oder Mos'ler?" (Suggestivfrage, 8. Auftritt) bzw. "Franz? [...] oder Rhein?", weiterhin Kaese ("rect' aus Limburg") und pommersche Raeuchergans (10. Auftritt). Eine Art grossdeutsch und leicht noerdlich getoenter kulinarischer Deutschlandreise, die man wohl mit dem Freiheitskampf der Niederländer gegen die spanische Fremdherrschaft in Verbindung setzen und auf das von Napoleon dominierte Deutschland beziehen kann. Gegessen wird dann Limburger und dazu Niersteiner ("von unserm Rhein") getrunken (10. Auftritt). Das geht gut zusammen, denn kräftigere Käse harmonieren mit suessen Weissweinen (z.B. Roquefort mit Sauternes). Und wenn man davon ausgeht, dass die damaligen Weine weniger stark und eher suess waren (die Manie, nur trockene Tropfen zu trinken, ist neueren Datums), dann kann man sich im 'Zerbrochnen Krug' gut einen reifen Rohmilch-Limburger mit einem Wein vorstellen, der vielleicht einer gealterten, edelsuessen Riesling-Auslese vergleichbar ist (Adam muss Walter ja etwas bieten, um ihn fuer sich zu gewinnen, und der Niersteiner scheint gut zu sein). Dies laesst zwar, wie der aufgewärmte Kohl nebst Wurst, auf einigen Sachverstand schliessen, beantwortet aber nicht die Frage, was Kleist selbst gerne ass und trank. Hinsichtlich des Getraenks lautet die ueberraschende Antwort: franzoesisches Bier. "Du riethest mir einmal in Paris, ich mögte, um heitrer zu werden, doch kein Bier mehr trinken" - Kleist in einem Brief an seine Schwester Ulrike am 12. Januar 1802.
Ad-hoc-Kommentar Emig: Könnte es Bier essen heißen - getreu dem Motto: Eine Flasche Bier ist wie zwei Stücke Brot. Und dann ist noch nichts getrunken...?
Und Dr. Barbara Wilk-Mincu, Berlin an Günther Emig: Noch ein kleiner Nachtrag zum "Käsekuchen"! Herr [Dr. Eberhard] Siebert, dem ich diese Mail weitergereicht hatte, und von dem ich Sie herzlich grüßen soll, fielen noch die "Braunschweiger Würste" und "der gute Oppenheimer" im Zerbrochnen Krug ein!
Ulrich W. Kleist, Namensvetter, plaudert aus dem Nähkästchen:
Liebes Kleist-Archiv, durch Sie habe ich erfahren, daß auch mein großer Namensvetter Käsekuchen liebte. Da Sie kein Rezept zur Verfügung stellen können, möchte ich Ihnen hier mein Rezept für einen Kleist'schen Käsekuchen liefern:
Man nehme:
3 Pfund Magerquark
250 gr. Butter
250 gr. Zucker
8 große Eier
1 Päckchen Vanillinzucker
2 Päckchen Vanille-Puddingpulver
1 Päckchen Backpulver
1 große Schüssel
1 Mixer
1 SpringformEier, Zucker und Vanillinzucker schaumig rühren
Quark (Wasser abschütten) und Puddingpulver abwechseln und langsam unterrühren
Masse in eine gut gefettete und gemehlte Form geben und bei ca. 175 C‘ ca. 45 bis 55 Minuten backenZur Abwandlung können:
der Masse eingemehlte Rosinen untergemengt werde
die entstehende Vertiefung mit Obst nach Wahl - wie bei einem Tortenboden - belegt werdenGuten Appetit!