Heinrich von Kleist im Fernsehen
© 2002 Kleist-Archiv Sembdner, Heilbronn
Wieder mal ein kostenloses Internetangebot. Diesmal von tvinfo. Wir sind dort mit den Suchfragen zu Kleist registriert und erhalten automatisch Nachricht, wenn sich Kleistisches auf der matten Scheibe zu ereignen droht. Gelegentlich auch dann, wenn es ums Kleben geht (Kleister) :-; , aber das filtern wir dann selbst heraus. Was wir finden, packen wir dann gleich mal hier auf diese Seite. Prosit - möge es nützen!
BR, Samstag, 31. 8. 2002, 20:00 - 00:55 Uhr
Prinz Friedrich von Homburg
1675: Die Schlacht der Preußen mit den Schweden steht bevor. Der General der Reiterei des Kurfürsten von Brandenburg, der Prinz von Homburg, wird schlafwandelnd im Schloßpark zu Fehrbellin von der Hofgesellschaft beobachtet: Im Traum hat er sich einen Lorbeerkranz geflochten und spricht Prinzessin Natalie, die Nichte des Kurfürsten, als seine Braut an. Doch die Wahnvorstellungen des Träumenden werden vom Kurfürsten zurückgewiesen.
Erwacht findet der Prinz einen Handschuh der Prinzessin und deutet dies als einen Wink des Schicksals. Privates Glück und Heldenträume im Sinn, ist er nicht bei der Sache, als ihm die Schlachtordnung des Kurfürsten mitgeteilt wird. Er mißachtet diese Weisungen im Gefecht, führt im Rausch seiner Gefühle die Reiterei vorzeitig in den Kampf und schmälert so die Erfolgschancen der Strategie des Kurfürsten.
Der Kurfürst sieht durch Homburgs Verhalten die Ordnung des Staatswesens bedroht: Ein Kriegsgericht verurteilt nach Recht und Gesetz den Prinzen zum Tode. Der fühlt sich und seine Motive mißverstanden, sucht Hilfe, macht sich auf den Weg zur Kurfürstin - und kommt an dem für ihn ausgehobenen Grab vorbei. In Todesangst bittet der Prinz die Kurfürstin und Natalie um Fürsprache: Er ist bereit, für sein Leben auf seine Ämter und auf die ersehnte Vermählung mit Natalie zu verzichten.
Natalie bittet für ihn beim Kurfürsten, der bereit ist seinen General zu begnadigen, 'wenn er den Spruch (= das Urteil) für ungerecht halten kann'. So zum Richter über sich selbst ernannt, findet der Prinz zur Einsicht, daß er sich dem Gesetz der Gemeinschaft stellen muß. Auch eine Bittschrift des Offizierskorps zu seinen Gunsten weist er dankend zurück. Er will keine Begnadigung mehr, 'will das heilige Gesetz des Krieges ... durch einen freien Tod verherrlichen' und unterwirft sich dem Todesurteil.
Mit verbundenen Augen erwartet er den Tod. Der Kurfürst, der ihn begnadigt hat, führt ihm Natalie zu, die ihn mit einem Lorbeer bekränzt. Der Prinz fällt in Ohnmacht. 'Ist es ein Traum?', fragt er, als er erwacht. Ein Freund gibt ihm die Antwort: 'Ein Traum, was sonst?'
Schauspieler: Rolf Boysen (Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg)
Gisela Stein (Die Kurfürstin)
Annika Pages (Prinzessin Natalie von Oranien, seine Nichte)
Helmut Stange (Chef eines Dragonerregiments, Feldmarschall Dörfling)
Michael von Au (Prinz Friedrich Arthur von Homburg, General der Reiterei)
Claus Eberth (Obrist Kottwitz, vom Regiment der Prinzessin von Oranien)
Mathias Hell (Hennings, Oberst der Infanterie)
Arnulf Schumacher (Graf Truchß, Oberst der Infanterie)
Heinrich von Kleist schrieb sein Stück zwischen 1809 und 1811 und widmete es der Gemahlin des Prinzen Wilhelm von Preußen, um die Gunst des Hofes zu erlangen. Doch das als 'vaterländisches Schauspiel' angekündigte Drama entsprach mehr der Weltanschauung Kleists als jener der preußischen Aristokratie und fand keine Wertschätzung bei Hofe. Drei Jahre nach Kleists Tod brachte Ludwig Tieck die Erstausgabe heraus. Am 3. 10. 1821 fand am Wiener Burgtheater die erste Aufführung statt.
Kleists 'Prinz Friedrich von Homburg' ist sein letztes und reifstes Stück, 'staatspolitisch, ethisch und pädagogisch gleichermaßen wertvoll' (Müller-Seidel), ein dramatischer Meilenstein der deutschen Bildungsgeschichte, 'ein Stück aus Widersprüchen' (Helmuth Arntzen): Tragödie und Komödie, Tag und Traum, Gefühle und Gesetze, Anarchie und Ordnung, Lyrik und Logistik, Poesie und Parolen, das Glück des Einzelnen und das der Gemeinschaft - dies sind nur einige der vielen unvereinbaren Welten unseres Lebens, deren unvermeidliches Scheitern aneinander, facettenreich dargestellt, die bewundernswerte Modernität dieses Klassikers ausmacht.
Zur Inszenierung: 'Nein, es ist kein Traum: ein solches Maß an inständiger Genauigkeit, an formaler Stringenz und spannungsreicher Abgründigkeit ist auf einer deutschen Bühne nicht nur möglich, sondern Wirklichkeit.
Dorns analytisch strenge, im sparsam genauen Einsatz der Mittel ökonomisch weise und doch keineswegs intellektuell ausgekühlte, sondern phantasiereich sinnenhafte und emotional hochverdichtete Inszenierung ist im allerbesten Sinne 'werktreu' zu nennen: Sie drängt sich mit ihren Einsichten nicht vor, sondern schafft ihnen Raum durch konzentrierteste Aufmerksamkeit für die Dimensionenvielfalt des Textes ...' (Hans Krieger).
Aufzeichnung unter studioähnlichen Bedingungen im Sommer 1997 in den Münchner Kammerspielen.
(Quelle: www.tvinfo.de, aufgerufen 27. 8. 2002)